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Freiberufler

Freiberufler

Die Freibeuter unserer Zeit

Sten Hedegård Nielsen
St.-Nr.: 11470
Süddänische Universität, Kolding
August 1999
Beratung: Merete Henriksen Qvist

Inhalt

1 Problemformulierung 3
2 Was ist ein Freiberufler? 4
3 Gewerkschaften 8
4 Arbeitslosengeld und Krankengeld 10
5 Urlaubsgeld 13
6 Steuern 16
7 Konklusion 19
8 Quellen 20

 

1 Problemformulierung

Ich werde mit dieser Aufgabe untersuchen, was es heißt, Freiberufler zu sein. Der Grund für meine Wahl dieses Themas ist teils, dass ich selbst seit etwa einem Jahr unter dem Namen Stone Translation als freiberuflicher Übersetzer arbeite und so ein gewisses Eigeninteresse an der Sache habe, teils, dass es mir vorkommt, ein Gebiet des dänischen Arbeitsmarktes zu sein, das (noch) nicht völlig durchorganisiert ist.

 

Auf der Basis meiner eigenen Erfahrungen habe ich beschlossen, mich auf die folgenden Fragen zu konzentrieren:

Was ist ein Freiberufler: ein Angestellter, ein selbstständiger Unternehmer oder was?

Sind Freiberufler Mitglieder einer Gewerkschaft?

Erhalten sie bei Krankheit und Arbeitslosigkeit Unterstützung?

Erhalten sie Urlaubsgeld?

Welche Steuern bezahlen sie?

 

Ich werde das Hauptgewicht auf die Verhältnisse hier in Dänemark legen und diese kurz mit denen in Deutschland vergleichen.

 

2 Was ist ein Freiberufler?

Bei der Frage, was ein Freiberufler ist, geht es vor allem darum, ob er ein Angestellter oder ein selbstständiger Unternehmer ist. Ich habe weder in
Dänemark noch in Deutschland eine feste, offizielle Definition finden können; es ist zwar in beiden Ländern vonseiten der Regierungen sowie der Organisationen des Arbeitsmarktes versucht worden, genau festzulegen, wann man als das Eine und wann als das Andere zu betrachten ist, man scheint aber in allen Fällen zu der Konklusion gekommen zu sein, dass sich Freiberufler in einer Grauzone befinden, in der sich eine genaue Definition nicht aufstellen lässt.

Die Definitionen der Wörterbücher, wo ich die Wörter freelance und freiberuflich nachgeschlagen habe, stimmen alle einigermaßen überein: Wir sind nicht angestellt und erhalten so auch keinen festen Lohn, sondern arbeiten in eigener Verantwortung für mehrere verschiedene Arbeit- oder Auftraggeber und werden für jede einzelne Aufgabe bezahlt. Das "dänische" Wort freelance stammt aus dem Englischen und bedeutete ursprünglich Söldner oder freier Landsknecht (free lance = freie Lanze oder freier Lanzenreiter).

Wie diese "im Mittelalter von Krieg zu Krieg zogen und den Burgherren ihre Kampfeskunst anboten", ziehen wir von Aufgabe zu Aufgabe und bieten den Kunden unsere Dienste an.

Die dänischen Steuerbehörden stellen (laut HK-2) eine Reihe Forderungen, die man erfüllen muss, um die steuermäßigen Vorteile als Selbstständiger genießen zu können und nicht als Lohnempfänger betrachtet zu werden.
Einige Bespiele sind:

dass man nicht wegen oder während einer Aufgabe daran begrenzt wird, auch für andere Auftraggeber zu arbeiten,

dass man nach Rechnung bezahlt wird, und zwar erst wenn die Arbeit wie vereinbart ausgeführt ist und eventuelle Mängel behoben worden sind,

dass die Einnahme von einem unbestimmten Kreis von Auftraggebern stammt,

dass man durch Anzeigen, Schildern o.Ä. erklärt, dass man sachverständig ist und gegen Bezahlung Arbeit einer bestimmten Art ausführt,

dass man gemäß dem Gesetz mehrwertsteuerpflichtig ist und die Leistungen mit Hinzurechnung von MwSt. fakturiert werden.

Die Definition des dänischen Bundes der Handels- und Büroangestellten (HK) umfasst als Einzige nicht nur mehrwertsteuerpflichtige Selbstständige, sondern auch Lohnempfänger, die für verschiedene Arbeitgeber (z.B. Aushilfebüros) arbeiten und weder Angestellte haben noch das Recht anzustellen oder zu kündigen.

In dem Bericht eines Ausschusses unter dem dänischen Arbeitsministerium (Arbejdsministeriet) wird ein Lohnempfänger dadurch charakterisiert, dass er infolge einer Vereinbarung dazu verpflichtet ist, eine Arbeit oder Dienstleistung persönlich auszuführen, nach den Anweisungen des Arbeitgebers, auf dessen Rechnung und Gefahr, unter dessen Aufsicht und in dessen
Namen. Außerdem muss der Arbeitgeber das nötige Material zur Verfügung stellen, und er haftet für eventuelle Schäden, die der Lohnempfänger bei der Ausführung der Arbeit verursacht. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses spielt keine Rolle.

Definiert wird der Arbeitgeber als "die juristische Person, die dafür zuständig ist, den Lohnempfänger anzustellen, ihn zu befördern und ihm zu kündigen" (Arbejdsministeriet, Seite 240, meine Übs.).

Freiberufler dagegen befinden sich in einer Grauzone, in der es typisch schwierig ist, "unmittelbar festzustellen, ob diese Personen Lohnempfänger oder Selbstständige sind. Es wird oft sowohl Elemente geben, die in Richtung des Status als Lohnempfänger ziehen, wie auch Elemente, die in Richtung des Status als Selbstständiger ziehen" (Arbejdsministeriet, Seite 246, meine Übs.). So ist z.B. ein Dolmetscher manchmal als traditioneller Lohnempfänger angestellt, und manchmal tritt dieselbe Person bei einer ähnlichen Aufgabe als selbstständiger Unternehmer auf.

 

In Deutschland wird es derzeit heftig debattiert, wann man als Selbstständiger oder Angestellter zu betrachten ist. Zum Beispiel mieten viele Lkw-Fahrer einen Lkw, mit dem sie nur für eine und dieselbe Transportfirma fahren. Wenn die Fahrer als Angestellte der Transportfirma gelten, muss diese die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge bezahlen (woran die Firma weniger interessiert ist als die Fahrer); wenn die Fahrer als Selbstständige gelten, müssen sie alles selbst bezahlen. Es wurde zwar vor einem halben Jahr ein Gesetz erlassen, um "in dieser Grauzone ein wenig Ordnung zu schaffen" und u.a. getarnte Angestellte gegen solche Ausbeutung zu schützen; man hat aber schon beschlossen, das Gesetz zu revidieren, weil von vielen Seiten dagegen protestiert worden ist. Viele Firmengründer haben anfangs nur einen einzigen Kunden und keine Angestellten, bestehen aber trotzdem darauf, dass sie Selbstständige sind, um mit dem Aufbau ihrer Firma weiterkommen zu können.

Laut einem Artikel in Die Zeit entscheiden in Deutschland die Versicherungsträger in jedem einzelnen Fall, ob man als Selbstständiger oder "als abhängig Beschäftigter einzustufen ist". In Zweifelsfällen trägt, so "das am 1. Januar in Kraft getretene Korrekturgesetz zur Scheinselbstständigkeit", nicht der Versicherungsträger die Beweislast, sondern obliegt es dem Freiberufler zu beweisen, "dass er tatsächlich selbstständig ist" und kein getarnter Angestellter (für den der Auftraggeber wie für normale Angestellte hätte Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssen). Dafür muss der Freiberufler nachweisen, dass er höchstens eins von den folgenden vier Kriterien erfüllt:

Keine Angestellten außer Familienangehörigen

Nur einen Auftraggeber

Persönliche Weisungsgebundenheit

Kein unternehmerisches Auftreten am Markt.

Erfüllt er zwei, d.h. kann er nicht nachweisen, drei nicht zu erfüllen, "wird vermutet, er sei nur zum Schein selbstständig".

 

Der auffallendste Unterschied zwischen den Verhältnissen in Dänemark und Deutschland ist meines Erachtens, dass in Zweifelsfällen, ob man das eine oder das andere ist, in Deutschland der Freiberufler die Beweislast trägt.
Außerdem habe ich den Eindruck, dass die deutschen Behörden, u.a. mit dem erwähnten Korrekturgesetz, energischer als die dänischen versuchen, den "Markt" zu regulieren — wenn auch nicht unbedingt mit entsprechend größerem Erfolg.

 

3 Gewerkschaften

Die Frage, von welcher Gewerkschaft man als Freiberufler Mitglied sein soll, hat sich in Dänemark bis neulich leicht und schnell beantworten lassen: Für uns gibt es keine Gewerkschaft.

Der dänische Arbeitsmarkt ist traditionell darauf eingerichtet, dass es nur zwei Parteien gibt: einerseits die Arbeitnehmer und andererseits die Arbeitgeber, die angestellt sind bzw. Angestellte haben. Bei den Tarifverhandlungen schließen die respektiven Verbände der beiden Parteien ein- oder mehrjährige Tarifverträge, die für sämtliche Mitglieder gelten.

Freiberufler passen nicht in dieses System hinein: Da wir nirgends angestellt sind, sondern sozusagen unsere eigenen Arbeitgeber sind, wollen die Gewerkschaften nichts mit uns zu tun haben, und da wir keine Angestellte haben, können wir uns auch nicht als Arbeitgeber organisieren lassen.

Erst im Frühling 1999 hat der Bund der Handels- und Büroangestellten (HK) eine Abteilung für Freiberufler gestiftet, der sowohl Lohnempfänger wie auch Selbstständige beitreten können, die für verschiedene Arbeitgeber innerhalb des normalen Gebietes des HK arbeiten und selbst keine Angestellte haben. Freiberufliche Lohnempfänger können auch der Arbeitslosenversicherung des HK beitreten.

In Dänemark sind die Gewerkschaften traditionell auch für die Arbeitslosenversicherung zuständig (nur wird der größte Teil der Kosten vom Staat getragen). Alle Mitglieder einer Gewerkschaft sind auch Mitglieder deren
Arbeitslosenversicherung, und obwohl das Umgekehrte in keinem Gesetz und keiner Regel vorgeschrieben ist, trifft das in den allermeisten Fällen auch zu.

Nur für Freiberufler ist es anders: Wie erwähnt gibt es in Dänemark (fast) keine Gewerkschaft für Freiberufler, es gibt aber zwei Arbeitslosenversicherungen für Selbstständige: Selbst bin ich Mitglied der ASE (A-kassen for Selvstændige Erhvervsdrivende), und außerdem gibt es DANA (Danske
Næringsdrivendes A-kasse). Beide sind nur Arbeitslosenversicherungen und keine Gewerkschaften. Eine Mitgliedschaft setzt voraus, dass man in Dänemark ansässig ist, zwischen 18 und 65 Jahre alt ist und als Hauptbeschäftigung auf eigene Rechnung und Gefahr selbstständigen Betrieb ausübt.

 

Auch in Deutschland haben die meisten Freiberufliche keine Gewerkschaft. Nur die Übersetzer, Angestellte sowie Freiberufliche, haben sich in dem Bund Deutscher Übersetzer organisiert. Wie alle anderen Gewerkschaften in Deutschland gibt sich der BDÜ nicht mit Arbeitslosenversicherung ab.

 

Der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Ländern ist hier die enge Verbindung zwischen Gewerkschaft und Arbeitslosenversicherung, die es nur in Dänemark gibt.

 

4 Arbeitslosengeld und Krankengeld

Um Arbeitslosengeld zu beziehen, muss man natürlich arbeitslos sein, aber wann ist ein Freiberufler eigentlich arbeitslos?

Wenn einem Lohnempfänger gekündigt wird oder er kurzarbeitet, gilt er ab sofort als Arbeitslos, und er bezieht auch ab sofort Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe für die ganze Periode, in der er nicht arbeitet. Er darf auch in seiner (jetzt ausgedehnten) Freizeit eine Nebenbeschäftigung haben, bei der er Geld verdient, nur wird das Arbeitslosengeld oder die Sozialhilfe mit jeder Einnahme verrechnet. Ein arbeitsloser Lohnempfänger darf alles tun, um eine neue Arbeit zu finden; außer bei Kurzarbeit wird es sogar verlangt, dass er sich aktiv darum bemüht.

Einem selbstständigen Freiberufler kann nicht gekündigt werden, weil er ja nicht angestellt ist, und auch der Begriff Kurzarbeit ist für ihn irrelevant, weil er von keinem Tarifvertrag umfasst ist und so keine feste Arbeitszeit hat. Wenn man Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe beziehen will, reicht es also nicht, dass man nichts zu machen und darum keine Produktion und keinen Umsatz hat; die Firma hat man ja immer noch, und jeder Versuch, einen
neuen Kunden und/oder eine neue Aufgabe zu finden, ist ja auch Arbeit in der Firma. Wenn der Freiberufler kein Geld daran verdient, ist das allein sein Problem; wer sich nichts zu essen kaufen kann, muss eben fasten.

Laut den Regeln gilt ein selbstständiger Freiberufler erst dann als arbeitslos — und hat damit erst dann das Recht auf Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe — wenn er dokumentiert, dass die Firma nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgehört hat, indem er die Gebäude, das Inventar und den Lagerbestand zum Verkauf anbietet. Die Auszahlungen fangen sogar erst an, wenn das Ganze tatsächlich auch verkauft worden ist (wenn auch mit rückwirkender Kraft zu dem Tag, wo es zum Verkauf angeboten wurde), und sie werden mit der Einnahme bei dem Verkauf verrechnet.

 

In Deutschland gibt es eine gesetzlich geregelte Arbeitslosenversicherung, von der allerdings nur Lohnempfänger umfasst sind. Für Freiberufler gibt es keine Arbeitslosenversicherung, weder gesetzlich noch privat, sondern es bleibt ihnen nur die Arbeitslosenhilfe. Man unterscheidet in dieser Verbindung zwischen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe: Auf das Erste haben Lohnempfänger bei Arbeitslosigkeit einen Anspruch an der Versicherung, auf das Letztere haben Freiberufler bei unzureichendem Verdienst eine Hoffnung. Die Hilfe wird in jedem individuellen Fall nach Bedarf geregelt und durch das
soziale System ausgezahlt.

 

In dieser Verbindung hat ein deutscher Freiberufler einen wesentlichen Vorteil im Vergleich mit einem dänischen (der von jeder Hilfe abgeschnitten ist, solange er versucht, die Firma weiterzuführen): Der deutsche muss nicht erst dokumentieren, dass er sich endgültig von seiner Firma getrennt hat, sondern nur dass sie ihm keinen ausreichenden Lebensunterhalt gibt.

 

Krankengeld erhält ein dänischer Lohnempfänger normalerweise von seinem Arbeitgeber; da aber Freiberufler ihre eigenen Arbeitgeber sind, gelten für uns andere Regeln.

Bei Krankheit kann ein Freiberufler nach einer dreiwöchigen Karenzzeit von der Kommune Krankengeld erhalten. Die Höhe des Krankengeldes wird auf der Basis des Überschusses der Firma berechnet, beträgt jedoch maximal DKK 2.688,00 wöchentlich. Wenn die Firma keinen Überschuss aufweist, was bei neulich gegründeten Unternehmungen oft vorkommt, erhält man auch kein Krankengeld von der Kommune.

Man kann jedoch private Kranken- und Unfallversicherungen abschließen, damit man doch Krankengeld erhält. Je nach Art und Umfang der Versicherung ist der Satz höher oder niedriger als das obige Maximum, und die
Karenzzeit lässt sich auch (gegen eine erhöhte Prämie) vermeiden.

 

In Deutschland hat ein Lohnempfänger bei Krankheit 6 Wochen Lohnfortzahlung von seinem Arbeitgeber, und danach tritt die Versicherung ein. Bei der öffentlichen Krankenversicherung erhält man 70 % des Gehaltes; bei den privaten wird die Versicherungssumme individuell vereinbart und kann dem ganzen Gehalt entsprechen, oder für Selbstständige dem ganzen Verdienst des vorigen Jahres. Sowohl bei Arbeitslosigkeit wie auch bei Krankheit schreibt das Gesetz in Deutschland vor, dass man sich nicht mit mehr als 100 % der bisherigen Einnahme versichern darf; sonst "hat man einen Bereicherungsanspruch, und das ist verboten".

Die Karenzzeit nicht lässt sich nur bei den privaten, sondern auch bei den öffentlichen Krankenversicherungen individuell vereinbaren. In den meisten Fällen schlägt die Versicherunggesellschaft dem Kunden mehrere Optionen vor; die kürzeste Karenzzeit ist normalerweise eine Woche, die längste 6 Wochen.

Selbstständige Unternehmer können nicht der öffentlichen Krankenkasse beitreten, sondern müssen sich privat versichern. Wenn man aber früher als Lohnempfänger Mitglied einer öffentlichen Krankenkasse geworden ist und erst später selbstständig wird, darf man dort bleiben.

Das tun auch die allermeisten: Zwar ist eine private Krankenversicherung relativ billig, solange man jung und gesund ist, aber je älter man wird, umso teurer wird sie. Und wenn man die öffentliche Krankenkasse erst einmal verlassen hat, kann man niemals zurückkehren. Darum halten die allermeisten Freiberufler so lange wie überhaupt möglich an der öffentlichen Krankenversicherung fest.

 

Davon abgesehen, dass sich die Karenzzeit in Deutschland nicht nur bei den privaten, sondern auch bei den öffentlichen Krankenversicherungen individuell vereinbaren lässt, scheint es in dieser Verbindung keinen besonderen Unterschied zwischen Dänemark und Deutschland zu geben.

 

5 Urlaubsgeld

Jeder dänische Lohnempfänger hat das Recht und die Pflicht, pro Monat
Anstellung in einem Kalenderjahr im Laufe des danach folgenden "Urlaubsjahr" (2. Mai des Jahres nach dem obigen Kalenderjahr bis 1. Mai des danach folgenden Jahr) 2½ Tage Urlaub zu machen. Der Arbeitgeber spart im Laufe des Kalenderjahres eine Summe auf, die 12,5 % des Lohnes entspricht, und das folgende Urlaubsjahr zahlt er dem Lohnempfänger vor jedem Urlaub eine entsprechende Summe neben dem Lohn aus. Ausgenommen hiervon sind Lohnempfänger, die monatweise angestellt sind und auch an Feiertagen
sowie bei Krankheit und Urlaub ihr normales Gehalt bekommen.

Wenn man seine Arbeit wechselt, stellt der ehemalige Arbeitgeber eine so genannte "Urlaubskarte" aus, aus der hervorgeht, wie viele Urlaubstage aufgespart sind und wie viel Geld dafür auszuzahlen ist. Der neue Arbeitgeber unterschreibt vor jedem Urlaub die Urlaubskarte und gibt an, wann der Lohnempfänger wie viele Tage Urlaub machen wird. Der Lohnempfänger schickt die Karte an den ehemaligen Arbeitgeber, der ihm dann das Geld schickt.

So einfach ist es nicht für neue Freiberufler, die bei ihren früheren Arbeitgebern Urlaubsgeld aufgespart haben: Da wir ja nicht neu angestellt worden sind, haben wir auch keinen neuen Arbeitgeber, und laut den Regeln darf man nicht selbst auf der Urlaubskarte quittieren. An der Arbeitslosenversicherung wollen sie auch nicht; man kann zwar ein besonderes "Urlaubsarbeitslosengeld" beziehen, aber arbeitslos sind wir ja nicht. Stattdessen verweist die Arbeitslosenversicherung auf die Sozialverwaltung in der Heimatkommune.

Daran hatte ich zu schlucken: Ich habe ein viertel Jahrhundert lang
geschworen, dass ich, Sten Nielsen, verdammt sein will, wenn ich jemals
einen Fuß in ein Sozialamt setzen werde.

Nun, das musste ich auch nicht: Trotz vieler Jahrzehnten sozialdemokratischer Verwaltung ist Fredericia in einigen Hinsichten eine betriebsfreundliche Kommune. Im Rathaus gibt es den so genannten "Servicebutikken" ("den Serviceladen"), der u.a. Selbstständigen in solchen Sachen hilft. Man geht einfach hin, gibt der Dame an der Theke die Karte und sagt, wann man wie lange Urlaub machen möchte. Das schreibt sie auf die Karte, die sie mit
einem Stempel und ihrer Unterschrift versieht, und man kann wie oben
beschrieben die Karte an den früheren Arbeitgeber schicken.

Eine Schwäche hat aber dieses System: Wenn man während seines Urlaubes Arbeit irgendwelcher Art gegen Entgelt ausführt, kann der Dänische
Arbeitsumweltdienst verlangen, dass das ganze Urlaubsgeld oder ein Teil davon an "Arbejdsmarkedets Feriefond" bezahlt wird. Wenn ein Lohnempfänger neu angestellt worden ist und der neue Arbeitgeber die Urlaubskarte unterschreibt, steht dieser dafür ein, dass jener tatsächlich auch Urlaub macht und nicht arbeitet. Für einen Arbeitgeber ist das kein Problem, weil er es ja jederzeit kontrollieren und so auch garantieren kann.

In meinem Fall steht Servicebutikken nur dafür ein, dass ich in der auf der Urlaubskarte angegebenen Periode Urlaub machen kann (weil ich in dieser Periode kein Geld aus öffentlichen Kassen beziehe), nicht dass ich es auch wirklich tue. Man bestätigt bloß meinem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber, dass dieser mir das Geld auszahlen kann; es lässt sich nicht kontrollieren, ob ich tatsächlich Urlaub mache oder bloß das Geld in die Tasche stecke und weiterarbeite.

Ab dem zweiten Jahr als Freiberufler ist man aus diesem System völlig raus. Man muss und kann nur so viel Urlaub machen, wie man will und sich leisten kann, und man hat nur das Geld dafür, das man selbst gespart hat.

 

In Deutschland schreibt das Gesetz vor, dass jeder Lohnempfänger jährlich mindestens 24 Tage Urlaub macht, doch in vielen Branchen haben die
Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände 30 Tage vereinbart. Egal wie lang oder kurz der Urlaub ist, erhalten Lohnempfänger während des Urlaubes ihr normales Gehalt von dem Arbeitgeber.

Freiberufler dagegen müssen (wie ihre dänischen Kollegen ab dem zweiten Jahr) ihren Urlaub selbst bezahlen; es kann vorkommen, dass sie nach einer individuellen Vereinbarung von einem früheren Arbeitgeber etwas bekommen, dafür gibt es aber keine Regeln.

 

Hier unterscheiden sich Dänemark und Deutschland durch das kompliziertere dänische System, wo das Urlaubsgeld der Lohnempfänger sozusagen mit einer einjährigen Verzögerung ausgezahlt wird, und wo es deshalb nach
einem Arbeitswechsel vorkommt, dass der eine Arbeitgeber teilweise die Verpflichtungen des anderen administrieren muss.

 

6 Steuern

"Bei dem Wort Wohlfahrtsstaat könnten aber auch Assoziationen an das dänische Modell entstehen (...). Einer kaum noch zu überbietenden Fürsorge des Staates für seine Bürger in jeder Lebenslage stand allerdings ein erbarmungsloses Steuersystem gegenüber, das schon bei einem Jahreseinkommen von umgerechnet 45.000 Mark von jeder zusätzlich verdienten Krone siebzig Prozent für die Staatskasse reklamierte und dadurch Steuerhinterziehungen nicht nur zu einer Art Volkssport, sondern auch zu einer Art Notwehrreaktion gemacht hat."

(Jungblut, Seite 291).

 

Es wäre ein zu weites Feld, hier alle in Dänemark zu bezahlenden Steuern ins Detail zu beschrieben, geschweige denn die eventuelle Logik dahinter. Ich werde mich deshalb auf die zwei wesentlichsten Steuern konzentrieren, die man als Freiberufler bezahlen muss: die Einkommensteuer und die Mehrwertsteuer.

Grundsätzlich muss in Dänemark jede Person und jede Unternehmung, die ein reales Einkommen hat oder der von den Steuerbehörden ein fiktives Einkommen unterschoben wird, davon Steuern bezahlen. Außerdem haben die Steuerbehörden die fixe Idee, jeder Steuerzahler wüsste genau, wie viel er nächstes Jahr verdienen würde, und so ließe sich auch der zu bezahlende Steuerbetrag für das ganze kommende Jahr im Voraus berechnen.

Als Freiberufler lebt man von dem Überschuss seines Firmachens, und es ist in der Praxis unmöglich, bloß einigermaßen genau vorauszusagen, welche Einnahmen und Ausgaben man das ganze nächste Jahr haben wird. In
Ermangelung von etwas Besserem vermuten die Steuerbehörden eben, dass man nächstes Jahr ungefähr dasselbe wie letztes Jahr verdienen werde, und auf der Basis dieser Vermutung berechnen sie einen in monatlichen Raten zu entrichtenden Steuerbetrag. Sollte es sich im Laufe des Jahres herausstellen, dass diese Berechnung völlig abwegig ist, muss man es den Steuerbehörden in der Heimatkommune mitteilen, die dann die noch zu bezahlenden Raten entsprechend ändern.

(Eigentlich sehe ich nicht ein, warum man nicht einfach alle einen festen Prozentsatz des Bruttoeinkommens ohne jegliche Abzüge bezahlen lassen kann, wenn auch vielleicht schon, warum man es nicht will — aber das ist eine ganz andere Geschichte, über die ich mich anderweitig ausgebreitet
habe.)

 

In Deutschland hängt die Höhe der zu entrichtenden Einkommensteuer von der Einkommensklasse und dem Familienstand ab. Je höher der Überschuss der Firma ist, umso höher ist auch der prozentuelle Steuersatz. Ledige werden, auch im Vergleich mit Dänemark, generell härter als Verheiratete
besteuert, weil der steuerfreie Grundbetrag der Ehefrau dem Mann zugute kommt, wenn sie kein eigenes Einkommen hat. So muss z.B. ein verheirateter Freiberufler bei einem Überschuss von DEM 45.000 (nach allen Abzügen) DEM 4.994 entrichten, ein lediger fast doppelt so viel: DEM 9.272.

 

In Dänemark gibt es zwar einen entsprechenden Unterschied, indem der
persönliche Steuerfreibetrag der Ehefrau dem Mann zugute kommen kann, aber erstens ergibt das wegen der generell höheren dänischen Einkommensteuer in der Praxis einen wesentlich geringeren Unterschied als in Deutschland, zweitens hat auch in Dänemark der Mann nur diesen Vorteil, wenn die Frau kein eigenes Einkommen hat. Das ist zwar in Deutschland normal, in Dänemark aber nicht.

 

Die Mehrwertsteuer basiert auf dem Prinzip, dass sich bei jedem betriebsmäßigen Umsatz der Handelswert der umgesetzten Ware (unabhängig von dem Nutzwert) erhöht. Dieser in dem Unternehmen entstandene Mehrwert wird in Dänemark mit einem Satz von 25 % besteuert. Die MwSt. wird bei
jedem Kauf von dem Käufer an den Verkäufer bezahlt, der quartalsweise, halbjährlich oder jährlich (je nach der Höhe des Umsatzes) mit den regionalen Steuerbehörden abrechnet. Der zu entrichtende Betrag ist der Unterschied zwischen der MwSt., die man seinen Kunden fakturiert hat, und der, die einem die Lieferanten fakturiert haben. Dabei ist immer von den Rechnungsdaten auszugehen; wann oder ob die Rechnungen bezahlt worden sind, hat mit der Sache nichts zu tun.

Ich habe einige Mal Lohnempfänger sich darüber beschweren hören, dass sie die volle MwSt. und die Unternehmen nur den obigen Unterschied bezahlen müssten. Das ist aber ein Missverständnis, dessen Erklärung schon in dem Namen Mehrwertsteuer liegt: Es wird nur die Erhöhung des Handelswertes besteuert, nicht der Handelswert an sich. In dieser Verbindung treten die Unternehmen wie Handlanger des Staates auf, die bloß die MwSt. bei den Kunden einkassieren und dem Staat übergeben. Die Besteuerung der bei den Lieferanten entstandenen Erhöhung des Handelswertes (die jedes Unternehmen genau wie Otto Normalverbraucher in der Form von MwSt. bezahlt) übergeben die Lieferanten ebenso dem Staat. Damit dieselbe Steuer nicht zweimal entrichtet wird, verrechnet jedes Glied in der Kette bei der Abrechnung mit dem Staat die von ihm einkassierte MwSt. mit der von dem vorigen Glied einkassierten.

Das kann Otto Normalverbraucher zwar nicht tun, weil er die Ware ja nicht betriebsmäßig weiterverkauft und so auch keine MwSt. für den Staat einkassiert, die er mit der bezahlten hätte verrechnen können. Dafür hat er als Einziger nach dem ganzen Kaufen und Verkaufen die Ware an der Hand — und damit auch deren vollen Handels- und Nutzwert.

 

Mehrwertsteuer bezahlt man in Deutschland genau wie in Dänemark, bloß ist der Satz nur 16 % im Allgemeinen, für Lebensmittel sogar nur 7 %. Auch hier muss man für jede Periode (die je nach Umsatz einen Monat, ein Quartal oder ein Jahr beträgt) angeben, wie viel MwSt. man den Kunden Fakturiert hat und wie viel die Lieferanten einem fakturiert haben, und den Unterschied an die Staatskasse bezahlen.

In beiden Ländern gibt es einige MwSt.-freie Berufe, z.B. die "Heilberufe" wie Ärzte und Zahnärzte, und man fakturiert keine MwSt., wenn der Kunde ein im Ausland ansässiges Unternehmen ist.

 

7 Konklusion

In einer wohl geordneten Gesellschaft wie Dänemark liegt das Dasein jedes einzelnen Bürger in einigermaßen festen rahmen. Man weiß immer, wo man hingehört und wie man sich dort zu verhalten hat, und damit hat alles seine schöne Ordnung. Freiberufler stören die Ruhe, indem wir uns von diesem System losreißen und nach Belieben quer über alle Schranken umherspringen. So lassen wir uns in den Augen vieler am besten mit den Freibeutern des 16. bis 18. Jahrhundert vergleichen, die sich nur durch den Kaperbrief von gewöhnlichen Seeräubern unterschieden und auch nur solange den Strang vermieden, wie sie nur die Schiffe der richtigen Länder angriffen.

Besonders in Dänemark ist das soziale Sicherheitssystem denen vorbehalten, die sich artig der obigen Ordnung anpassen. Sowie man den ersten Sprung gewagt hat, ist man vollkommen sich selbst überlassen. Die Gewerkschaften wollen in den allermeisten Fällen nichts mit einem zu tun haben; es gibt zwar Arbeitslosenversicherungen, nur hat man nichts davon, es sei denn, man gibt es völlig auf, selbstständiges Unternehmen zu betreiben.

Einem Lohnempfänger ist sein Leben lang ein festes Mindesteinkommen garantiert, sowohl wenn er eine Arbeit hat als wenn nicht, und er kann immer vertrauen, dass er das Geld auch wie vorgeschrieben bekommt. Ein Selbstständiger weiß nie, wie viel oder wenig er nächsten Monat verdienen wird, und er hat keine Sicherheit, dass die Kunden ihre Rechnungen rechtzeitig oder überhaupt bezahlen werden, sondern nur dass er selbst auf jeden Fall die Steuer und die MwSt. von dem fakturierten Betrag bezahlen muss.

Ist es wirklich die viele Mühe wert, die Geborgenheit als Lohnempfänger zu verlassen und ein neues Unternehmen zu gründen, ohne zu wissen, ob man davon wird leben können oder es sich als ökonomisches Bungeejumping
ohne Gummiseil erweisen wird?

Die meisten würden wohl nein sagen, sei es nun aus Furchtsamkeit, Faulheit oder eigener bitteren Erfahrung. Andere haben eben als Freibeuter mehr Spaß am Leben.

 

8 Quellen

Arbejdsministeriet: Rapport fra Udvalget om Informationssamfundets betydning for jobindhold og arbejdets organisering, Januar 1998.

ASE: Telefongespräch mit Anette Johansen, Region Vejle, am 13. April 1999.

Bundesamt für Finanzen (Bonn): Telefongespräch mit Frau Bodrian am 26. Juli 1999.

Bundesanstalt für Arbeit (Nürnberg): Telefongespräch mit Herrn (Gronefeld oder so etwas) am 16. Juli 1999.

DANA: Vortrag von Palle Christiansen bei Initiatorkursus bei Kolding Erhvervsudvikling am 8. April 1999.

Erhvervsfremmestyrelsen: Iværksætterguide, 1998 (ISBN 87-7756-486-3).

Ferieloven: Lov nr. 273 af 4. juni 1970, med ændringer til og med 12. maj 1999.

Finanzamt Hamburg: Telefongespräch mit Herrn Rose am 29. Juli 1999.

Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG (Hamburg): Telefongespräch mit Herrn Mailand am 22. Juli 1999.

HK-1: HK Danmark, Brief von Lene Andersen, Kopenhagen, vom 9. März 1999.

HK-2: HK Danmark: Faglig håndbog for freelancere, Kopenhagen 1999.

Hopfe, Helle (Kollegin in Hamburg): Telefongespräch am 26. Juli 1999.

Jungblut, Michael: Wirtschaftswunder ohne Grenzen, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1990 (ISBN 3-421-06575-6).

Servicebutikken-1: Gespräch mit Anita Bolykke am 25. April 1999.

Servicebutikken-2: Telefongespräch mit Jesper Pedersen am 25. Juni 1999.

Skat & Folkeregister, Fredericia Kommune: Telefongespräch mit Jytte von Qualen am 18. Februar 1999.

Skatteministeriet: Vejledning E.27.98: Moms — fakturering, regnskab mv.

Told- og Skatteregion Vejle: Vortrag von Jørgen Hoberg bei Kolding Erhvervsudvikling am 26. Januar 1999.

Zeit-1: Die Zeit, 8. Juli 1999, Artikel von Martin Spiewak und Wolfgang Uchatius: Der Mensch als Firma.

Zeit-2: Die Zeit, 8. Juli 1999, Artikel von Wolfgang Uchatius: Im Zweifel gegen den Angeklagten.